Dieser Beitrag beschreibt einen der Schnittpunkte von Erbrecht und Eherecht, nämlich konkret den Einfluss der Auflösung der Ehe oder der eingetragenen Partnerschaft (zu leichteren Lesbarkeit kurz „Ehescheidung“ oder „Scheidung“) auf das Erbrecht des geschiedenen Ehegatten oder eingetragenen Partners (zur leichteren Lesbarkeit in beiden Fällen kurz „Ehegatte“; in wesentlichen rechtlichen Belangen ist die eingetragene Partnerschaft der Ehe nachgebildet).
Der Verstorbene hinterlässt keine letztwillige Verfügung:
Hat der Verstorbene keine gültige letztwillige Verfügung (insbesondere Testament) errichtet, gilt die gesetzliche Erbfolge, die folgendes bestimmt:
- hinterlässt der Verstorbene einen Ehegatten, begründet das Gesetz dessen Erbrecht. Die Höhe dieses „gesetzlichen Erbrechts“ hängt davon ab, ob im Zeitpunkt des Todes des Verstorbenen neben dem Ehegatten noch Kinder und/oder Nachkommen vorverstorbener Kinder oder Elternteile des Verstorbenen leben; neben Kindern und deren Nachkommen beträgt der gesetzliche Erbteil des Ehegatten ein Drittel; neben beiden Eltern des Verstorbenen zwei Drittel; sollte bereits ein Elternteil vorverstorben sein, fällt auch dessen Anteil, also zusätzlich ein weiteres Sechstel neben den zwei Drittel, an den Ehegatten; ohne Kinder, Nachkommen vorverstorbener Kinder oder Eltern des Verstorbenen erbt der überlebende Ehegatte alles (§ 744 ABGB);
- außerdem gebührt dem Ehegatten als gesetzliches Vorausvermächtnis (1.) das Recht, in der Ehewohnung weiter zu wohnen und (2.) die zum ehelichen Haushalt gehörenden beweglichen Sachen, soweit sie zu dessen Fortführung entsprechend den bisherigen Lebensverhältnissen erforderlich sind (§ 745 ABGB).
Wird allerdings die Ehe zu Lebzeiten des Erblassers aufgelöst, steht dem früheren Ehegatten weder ein gesetzliches Erbrecht noch ein gesetzliches Vorausvermächtnis zu (§ 746 Abs 1 ABGB).
Das bedeutet folgendes: ist im Zeitpunkt des Todes des Erblassers ein gerichtliches Scheidungsverfahren zwar anhängig, aber die Ehescheidung noch nicht rechtskräftig, steht dem Ehegatten das gesetzliche Erbrecht und das gesetzliche Vorausvermächtnis zu; nur falls aber ein Ehepakt oder sonst eine Vereinbarung über die nacheheliche Aufteilung des Gebrauchsvermögens oder der Ersparnisse davon abweicht, gelten ab Einreichung der Scheidungsklage die Regelungen des Ehepakts bzw. der Vereinbarung (§ 746 Abs 2 ABGB).
Der Verstorbene hinterlässt eine letztwillige Verfügung:
Hat der Verstorbene hingegen eine letztwillige Verfügung errichtet, mit welcher er den Ehegatten oder Lebensgefährten entweder als Erben für einen bestimmten Erbteil oder als Vermächtnisnehmer für bestimmte Gegenstände der Verlassenschaft einsetzt, gilt folgendes:
Letztwillige Verfügungen werden spätestens mit der Auflösung der Ehe oder Lebensgemeinschaft zu Lebzeiten des später Verstorbenen, im Zweifel aber bereits ab Einbringung der Scheidungsklage (§ 725 Abs 2 ABGB), aufgehoben, soweit sie den früheren Ehegatten oder den früheren Lebensgefährten betreffen; anderes gilt nur, wenn der Verstorbene ausdrücklich das Gegenteil angeordnet hat (§ 725 Abs 1 ABGB). Dabei ist gleichgültig, ob der Verstorbene diese letztwillige Verfügung während aufrechter Ehe oder Lebensgemeinschaft errichtet hat oder davor; nur wenn die letztwillige Verfügung erst nach Auflösung der Ehe oder Lebensgemeinschaft errichtet wurde, ist sie auch für einen früheren Ehegatten oder Lebensgefährten wirksam.
Dabei ist gleichgültig, aus welchem Grund das Scheidungsverfahren eingeleitet oder die Ehe geschieden wurde. Selbst wenn alleine der Verstorbene die Zerrüttung der Ehe verschuldet hat, verliert der Ehegatte durch Einbringung der Scheidungsklage die Ansprüche aus einer letztwilligen Verfügung (OGH 2 Ob 71/24 s).
Das bedeutet für den Ehegatten ab Einleitung des Scheidungsverfahrens bis zur Rechtskraft der Scheidung folgendes: ihm verbleiben die gesetzlichen Erbrechte. Je nach Inhalt der letztwilligen Verfügung und nach der Art und Anzahl sonstiger potentieller Erben, kann das der volle gesetzliche Erbteil oder der Pflichtteil sein; existiert aber ein davon abweichender Ehepakt oder eine sonstige Vereinbarung über die nacheheliche Aufteilung, gilt ab Einbringung der Scheidungsklage dieser Ehepakt bzw. diese Vereinbarung.
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